Im Ruderboot Non-Stop von Basel nach Bonn
Eine Mannschaft des Bonner Ruder-Vereins ruderte 500 Kilometer auf dem Rhein – ohne anzulegen.
„Der Jubel war überwältigend“, sagte David Streck (54, Holzhändler). „Als wir die Anfeuerungsrufe aus dem Megaphon hörten und die vielen Leute auf dem Steg sahen, haben wir auf den letzten 500 Metern noch einmal alles gegeben.“ Viele Freunde und Ruderkameraden hatten sich am 11. Juli um 20:30 Uhr auf dem Steg des Bonner Ruder-Vereins eingefunden, die Rheinpromenade mit Fahnen geschmückt und Sekt kalt gestellt, um die fünf Ruderer nach ihrer 500 Kilometer langen Ruderreise zu begrüßen. Böller krachten, Raketen zischten, Applaus und Hochrufe hallten über den Rhein. „Wir sind stolz auf Euch, dass ihr das geschafft habt“, schallte es aus dem Megaphon. „Einen solchen Empfang habe ich nicht erwartet, das hat mich berührt und war mir fast peinlich“, kommentierte Manfred Stoll (57, Diplom-Kaufmann).
Die Leistung, die die vier Ruderer und eine Ruderin gemeistert haben, verdient durchaus Respekt. Sie sind von Basel nach Bonn Non-Stop gerudert, ohne festen Boden zu betreten. Neben rudern und steuern mussten auch alle anderen körperlichen Bedürfnisse an Bord des Ruderbootes erledigt werden. Das ausgeklügelte Konzept ging auf: Jeder der Fünf ruderte eine Stunde, steuerte eine Stunde, ruderte wieder und hatte dann zwei Stunden „frei“. In diesen zwei Stunden konnten sie sich ausruhen, essen, trinken, schlafen und die Handy-Anrufe besorgter Freunde und interessierter Medienvertreter entgegennehmen. „Wir hatten vier Handys an Bord, zwei mit dem gleichen Klingelton“, sagt Otto Mayntz (59, Psychologe). „Bald wussten wir nicht mehr, wo welches liegt, welches gerade klingelt und wem es gehört.“ Geräuschlos hingegen ging die Handy-Ortung vor sich, mit der die Freunde in Bonn die Reise am PC gespannt verfolgten.
Die Pausen boten zwei Stunden Zeit zum Schlafen und vor allem die Möglichkeit, sich hinzulegen und auszustrecken, sodass Rücken und Gesäß sich vom Rudern und vom hölzernen Rollsitz erholen konnten. Dafür wurde der 90 Zentimeter breite Fünfer so umgebaut, dass ein Steuersitz und zwei Ruderplätze verblieben. Im Bug wurde mithilfe genau zugeschnittener Sperrholzplatten eine Liegefläche geschaffen, die mit einer Zeltkonstruktion aus Alustangen und Plastikfolie vor Regen und Wellen geschützt war. Ihr Arbeitstitel „Wellnessplattform“ hat diesem ehrgeizigen und wohl in dieser Form bisher einmaligen Unterfangen den euphemistischen Namen „Wellnesstour“ eingebracht. „Ich hab tief und fest schlafen können auf unserer Plattform“, berichtet Jenny Effelsberg (30, Verwaltungsangestellte). Körperliche Anstrengung, den ganzen Tag an der frischen Luft, Schlafentzug und das ständige leichte Schaukeln des Bootes in den Wellen des Rheins ließ sie nach wenigen Minuten einschlafen. „Blöd war nur, dass nach zwei Stunden irgendwer an mir rüttelte und sagte: ‚Du musst jetzt rudern‘.“
Minutiös hatten die Fünf die „Wellnesstour“, die herzlich wenig mit Erholung zu tun hatte, vorbereitet: Gaskocher, Fertiggerichte, Müsliriegel, Obst, löslicher Kaffee und 150 Liter Mineralwasser (medium) hatten sie besorgt. Drei bis vier Tage hatte die Mannschaft für die 500 Kilometer veranschlagt, aber Unwägbarkeiten gab es viele: Wie ist die Strömungsgeschwindigkeit je nach Wasserstand des Rheins? Gegen- oder Schiebewind? Sind die Schleusenwärter an den riesigen Großschifffahrtsschleusen zwischen Basel und Iffezheim kooperativ oder muss das Ruderboot auf den nächsten Frachter warten? „Wie kann ich mich waschen“, war Effelsbergs Sorge. „Darf ich in den Rhein springen, wenn ich mich von Kopf bis Fuß eingeseift habe?“ Ja, schwimmen war erlaubt, ohne das Ufer zu betreten.
Knapp 60 Stunden hat die 500 Kilometer lange Reise gedauert. Neun bis zwölf Stundenkilometer erreichten die Ruderpärchen je nach Strömung und Windrichtung. Aufenthalte erzwangen die Schleusen und eine besonders dunkle Nacht. Zwar war die Tour extra auf kurze Sommernächte und Vollmond gelegt worden, doch dieser war von Wolken verhangen. Als die Mannschaft in Nierstein im Rheingau die Lichter der großen Schiffe gegen die Lichter der Ufer nicht mehr ausmachen konnte, legten sie aus Sicherheitsgründen an einem Ponton für Fahrgastschiffe vier Stunden Pause bis zur Morgendämmerung ein. „Solche Entscheidungen sind immer sehr harmonisch getroffen worden“, berichtet Lutz Gohs (52, Angestellter). „Wir haben uns gut verstanden, viel gelacht und auch die Macken der einzelnen besser kennengelernt. Aber wir reden nach 58 Stunden gemeinsam in einem Boot immer noch miteinander.“
Streck, der Initiator der Non-Stop-Tour, ist die Strecke Basel-Bonn 1970 als Schüler zum ersten Mal gerudert und hat damals 14 Tage – mit Anlegen und Übernachten – dafür gebraucht. Seitdem
spukt der Gedanke in seinem Kopf, es in einem Rutsch zu schaffen. „Außerdem wollte ich beweisen, dass es ziemlich effektiv ist, wenn immer nur zwei rudern.“ Denn vier Ruderer seien nur eineinhalb mal so schnell wie zwei, und nicht doppelt so schnell. „Die Vorbereitungen, die Vorfreude und die Fahrt selbst haben mich völlig aus dem Alltag gerissen. So etwas vergisst man
sein Leben lang nicht mehr“, erklärt Mayntz.
„Mich hat die Herausforderung gereizt“, sagt Effelsberg. Sie fasziniere rudern, liebe den Rhein und sei gerne draußen. „Wir hatten viele schöne Erlebnisse und Stimmungen auf dem Strom beim
Rudern in die Morgen- oder Abenddämmerung und durch die Nacht. Und ich bin stolz, dass wir es gut geschafft haben.“ Lutz Gohs schwankt zwischen Faszination und Respekt vor dem Strom. „Es war eine sehr schöne Strecke, aber der Rhein mit den unbeleuchteten Bojen, den großen Schiffen und deren Wellen ist nicht einfach. Da muss man Obacht geben.“ Manfred Stoll ist vor zwei Jahren die Strecke ab Konstanz im Einer mit Übernachtungen an Land gerudert. „Damals war ich auf mich allein gestellt und konnte machen, was ich wollte. Mich hat das Gruppenerlebnis gereizt, die gemeinsame Leistung, auf die wir gemeinsam stolz sein können.“
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