Nachkriegszeit
Kurswechsel und Kalte Ente
Nach dem Krieg war der Verein abermals dem Zusammenbruch nahe. Viele der aktiven Ruderer waren gefallen. Im März 1945 nutzten Soldaten die Ruderboote zur Flucht über den Rhein. Diese wurden dabei beschädigt oder trieben dann rheinabwärts. Die Amerikaner besetzten das Bootshaus und entzündeten ein Freudenfeuer mit den noch verbleibenden Booten. 1947 kam es dann zu einer ersten Mitgliederversammlung nach dem Krieg und der Ruderbetrieb wurde aufgenommen. 1950 zählte der Verein schon wieder 150 Mitglieder – und es konnten etliche neue Boote getauft werden. Der Verein tat sich mit dem Bonner Tennis- und Hockey-Club sowie dem Bonner Ski-Club in einer Interessengemeinschaft zur Nutzung des Bootshauses zusammen, das 1951 wieder vollständig für den Verein zur Verfügung stand.
Es entwickelte sich nun ein sehr geselliges Leben auf dem Bootshaus. Man traf sich dort zum Umtrunk, zum Kartenspiel, zum Essen, zu Weinproben, zu Karnevalsfeiern, zu denen einfach ein paar Kleidungsruinen aus der „Lappekiss“ getragen wurden. An den Musikabenden wurden Schallplatten vorgespielt, die Mitglieder saßen um den Plattenspieler herum, lauschten und plauschten. „Man traf immer Bekannte“ erzählt ein Zeitzeuge. Die Anziehungskraft der honorigen Gesellschaft auf dem Bootshaus war so groß, dass manche nur wegen der Geselligkeit dort erschienen. 1957 fand ein Witzbold mit dem Scherz Beifall, schon Beethoven wäre 82er gewesen, denn er hätte auch nicht gerudert.
Vom Renn- zum Rheinrudern
Insbesondere die Jugendlichen entwickelten wieder sportlichen Ehrgeiz, unternahmen weite Wanderfahren und trainierten für klassische Kurzstrecken-Regatten. Siegeswimpel zierten die Flaggenmasten des Vereins. Mitte der 1950er Jahre wurde allerdings das Training in den schmalen und kippeligen Rennbooten auf dem Rhein wegen des zunehmenden Schiffsverkehrs immer schwieriger. Zum Training hätte man auf andere Gewässer ausweichen müssen. Zudem war es dem Verein kaum möglich, gleichzeitig einen Bootspark für die Rennruderer und für die Freizeitruderer stellen. So entstand die Entscheidung, die den Verein bis heute prägt und von vielen anderen Vereinen unterscheidet: Das Kurzstrecken-Rennrudern in entsprechenden Rennbooten wurde eingestellt. Der Verein setzte von nun an ganz auf des Freizeit- und Wanderrudern, für das breitere, stabilere und wellengängige Boote auf dem Rhein erforderlich sind.
Cafe Nietgen – und Rolandsbogen-Triathlon
Der Verein gab sich von nun an mit Hingabe dem Freizeitrudern auf dem Rhein hin – entwickelte dabei aber auch sportlichen Ergeiz. So gibt es seit 1950 einen Rudertermin am frühen Sonntagmorgen zwischen 8 und 8:30 Uhr, bei dem Woche für Woche bis zur Südspitze der Insel Nonnenwerth gerudert wird ─ insgesamt 25 Kilometer, was eine anspruchsvolle sportliche Herausforderung darstellt. Beliebte und regelmäßige Ruder-Ziele wurden später das Cafe Nietgen (auf Höhe der Fähre nach Nonnenwerth) oder der Rolandsbogen. Zum Besuch des Rolandsbogens wurde eine spezielle Form des Triathlons entwickelt: Rudern, Bergsteigen, Weintrinken. In den 1950er und 1960er Jahren erlangte die Kalte Ente, ein Bowle bestehend aus Wein, Sekt und Zitrone, Kultstatus im Verein. Über die Anzahl der kalten Enten, die auf dem Rolandsbogen von Ruderern des BRV genossen wurden, schweigen wir lieber. Schließlich ist der Rolandsbogen ein Ort, an dem Himmel, Fluß und Erde verschmelzen, kein Ort von dieser Welt.
Dezentrale Intelligenz
In den 1960er Jahren dürfte sich die Idee von dem 82er-Geist entwickelt haben, die bis heute im Verein herumgeistert. Der Verein entwickelte einen Habitus, bei „dem nicht alles so tierisch ernst genommen wurde, das war nicht so preußig zackig: Alles war ein bißchen legerer.“ Man war stolz darauf, dass im BRV Wanderfahrten stattfanden (und stattfinden), bei dem nicht der Fahrtenleiter voran fährt und alleinherrschend die Richtung angibt sondern alle Boote selbstständig den Weg suchen und finden. Wesentlicher Bestandteil dieses liberalen 82er Geistes, dem Hierarchie und Überorganisation ein Greuel sind, ist auf der anderen Seite die Bereitschaft und Fähigkeit der Mitglieder auch ohne lautstarke Anweisungen auf dem Wasser und an Land Herausforderungen selbstständig und kooperativ zu meistern. Dieses System der „dezentralen Intelligenz“ und Eigenorganisation wurde dadurch befördert, dass die meisten der Mitglieder bereits als halbwegs erfahrene Ruderer aus den Bonner Schülerrudervereinen zum BRV kamen und in diesen von den Schülern selbst verwalteten Vereinen mit schnellem Generationswechsel eigenständiges Rudern und Handeln eingeübt und schätzen gelernt hatten.