Vielschichtig und ruderverrückt
Der Verein hat sich in den letzten drei Jahrzehnten gewandelt. Der gemächliche Honorationenclub, der das Rudern vor allem aus „Spaß an der Freud“ betrieb und dem Lebenskunst wichtiger als Wettbewerb und Kilometerzählerei war, wurde langsam etwas sportlicher und vielfältiger. Das hat verschiedene Gründe. Einer davon ist, dass der BRV ganz unverhofft zu einem Regatta-Ausrichter wurde – und zwar einer Regatta, die ihres Gleichen sucht.
Europäische Rhein-Regatta
Im Jahr 1992 entschloss sich eine Gruppe von jungen Ruderinnen und Ruderern im Verein einen Ruder-Marathon auszurichten. Ausgewählt wurde zum 110jährigen Geburtstag des Vereins eine 110-Kilometer-Strecke auf dem Rhein stromabwärts bis zum BRV-Steg, die um eine „Kurzstrecke“ von 45 Kilometern (Neuwied-Bonn) ergänzt wurde. Das Projekt Europäische Rhein-Regatta, kurz Eurega, wurde zunächst von den Altvorderen, die der Leistungsorientierung im Rudern skeptisch gegenüberstanden, recht misstrauisch beäugt aber toleriert. Aber die Regatta klappte, wurde wiederholt und ist inzwischen fester Bestandteil des Ruderjahres. Die Startnummern für insgesamt 75 Boote sind meist schnell ausgebucht – und es beteiligen sich weit über 300 Ruderinnen und Ruderer aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland.
Im Laufe der Jahre hat sich das Rennen durch das spektakuläre Mittelrheintal einen Namen gemacht. Schließlich ist die Strecke sowohl landschaftlich als auch rudertechnisch atemberaubend.
Laaaaaaaaaangstrecken-Rudern
Im Verein wuchs die Begeisterung für das Langstreckenrudern und viele Mitglieder sind inzwischen regelmäßige Gäste der Regatten über lange Strecken. Bei der legendären und wohl bedeutendsten Marathon-Regatta der Welt, der Tour du Lac Léman à l’Aviron, die auf 160 km rund um den Genfer See führt, waren und sind seit 1988 nicht selten unsere Vereinsmitglieder auf den vorderen Plätzen vertreten und sogar an neuen Streckenrekorden beteiligt.
Eine Besonderheit im BRV ist, dass es keine klare Trennung zwischen Wettkampf- und Freizeitrudern gibt. Die Grenze ist fließend. Ein beträchtlicher Teil der aktiven Ruderer hat schon einmal an einer Langstreckenregatta teilgenommen – und dafür entsprechend trainiert. Dieser neue Ehrgeiz führte zu einer Steigerung der ruderischen Kompetenz bei vielen Mitgliedern. Da auf den Langstreckenregatten alle Generationen (dank verschiedener Alterklassen oder Zeit-Gutschriften für ältere Ruderer) aktiv sind, gibt es im BRV auch keine Trennung zwischen jungen Trainingsruderern und älteren Freizeitruderern – wie es in vielen Vereinen üblich ist.
Eine interne, aber heißumkämpfte Vereins-Trophäe dreht sich ebenfalls um das Langstreckenrudern: Wer vom BRV-Steg die weiteste Strecke von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang rheinaufwärts (also gegen die Strömung) und zurück bewältigt, gewinnt das „Blaue Band“. Der Rekord steht bei sage und schreibe 169 Kilometern, die ein Boot mit einer Fahrt von Bonn nach Boppard und zurück im Jahr 2001 erkämpfte.
Quereinsteiger
2004 lief der Vertrag mit der Stadt Bonn für die Unterbringung der Schülerrudervereine in den Räumen des BRV aus. Zum Bedauern des Vereins legte die Stadt Bonn kein akzeptables Angebot für die Weiternutzung der Bootshalle durch die Schüler vor. Die Schülerrudervereine mussten notgedrungen ausziehen und die Halle wird seitdem für den stark wachsenden Bootspark des Vereins genutzt.
Da der Zustrom von erfahrenen Schülerruderern nachgelassen hatte, begann Verein mit einer Ruderausbildung für Anfänger und konnte auf diesem Weg etliche neue Mitglieder für unseren wunderbaren Sport begeistern. Eine Folge davon war, dass der bis dahin nahezu ausschließlich akademisch geprägte Verein in der Mitgliedschaft bunter und vielschichtiger wurde. Eine andere Folge der Ausbildung für Anfänger und gestandene Mitglieder ist, dass das technische Niveau im Verein stetig steigt, weil nicht mehr die Vorstellung der ehemaligen Schülerruderer vorherrscht, dass mit dem Abitur auch die Ruderausbildung abgeschlossen sei.
Bis zum Jahr 2009 waren die Vorsitzenden des Vereins ganz selbstverständlich Männer gewesen und meist ehemalige Schülerruderer. Dann gab es eine sanfte Revolution. Den Vorsitz des Vereins übernahm zum ersten Mal eine Frau! Sibilla Drews gehört zur neuen Damengeneration und hat im BRV die Kenntnisse des Ruderns erworben. Sie steht nicht nur für die neue Weiblichkeit, sondern auch für die vielen Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger im Verein – und damit für die Tatsache, dass man das Rudern auch noch nach der Pubertät erlernen und trotzdem tief ins Herz schließen kann.
Rudern, Rudern, Rudern …
Im Jahr 2007 war der BRV stolz, zur 125-Jahr-Feier mehr als 125.000 Kilometer gerudert zu haben, nachdem die Gesamtjahresleistung noch wenige Jahre vorher unter 100.000 Kilometern gelegen hatte. Diese Marke wurde in den kommenden Jahren mehrfach überboten – zum Beispiel mit einer Jahresleistung von über 152.000 Kilometern, die 2014 von 179 Mitgliedern gerudert wurden.
Viele Mitglieder rudern inzwischen besser, öfter und weiter als es noch vor 20 Jahren im Verein üblich war. Die höheren technischen Fähigkeiten im Verein machten das Rudern leichter, erfreulicher und erschlossen neue Ziele. Vor ein paar Jahren kämpften sich die Boote bei den Ruderterminen noch mühsam bis zur Fähre in Godesberg oder bis nach Niederdollendorf, um dort ausgiebigst einzukehren. Heute geht es recht zügig bis nach Mehlem und manchmal noch weiter stromaufwärts – und (ohne Einkehr) zurück.
Zum teils scherzhaft, teils ehrgeizig betriebenen Wettkampf um die persönliche Jahreskilometerleistung trägt nicht zuletzt bei, dass das Fahrtenbuch inzwischen in einem Computer angezeigt wird, der nun in Sekundenschnelle das aktuelle Kilometer-Klassement anzeigt. Das steigert die Motivation für manche, die anderen noch schnell mit einer weiteren Fahrt zu übertreffen.
Der BRV betreibt seit den 70er Jahren kontinuierlich und mit großer Leidenschaft die Wanderruderei – mit unzähligen Fahrten auf allen mehr oder weniger ruderbaren Flüssen Europas. Fester Bestandteil des Ruderjahres sind Vereinsfahrten auf unseren Hausgewässern Rhein, Lahn und Mosel an denen teilweise bis zu 70 Mitglieder teilnehmen. Zu Ostern, zum Anrudern im Frühjahr, zu Fronleichnahm, im Sommer und zu Allerheiligen starten die 82er regelmäßig zu ausgedehnten Vereins-Wanderfahrten – und frönen dabei der Tradition des Genussruderns.
Von 2011 bis in die Gegenwart konnten wir regelmäßig den Wanderruder-Pokal des Deutschen Ruderverbandes, den „Georg-Winsauer-Preis“ für die Vereine unserer Größenklasse, errudern – durch eine hohe Zahl von Fahrtenabzeichen (ca. 70 pro Jahr bei rund 180 aktiven Ruderern) und viele, viele Kilometer auf Wanderfahrten.
Bootshaus im neuen Glanz
2007 wurden ehemaligen Schülerräume im Bootshaus mit viel Eigenarbeit umgebaut. Dabei entstanden auch ein Ergometer-und Gymnastikraum sowie eine Sauna. In der dunklen Jahreszeit können die Mitglieder dort auch Indoor-Ausgleichssport betreiben – aber viele 82er befahren auch im Winter gern und ganz selbstverständlich den rauen Rhein.
2016 nahm der Verein eine grundlegende Renovierung des Obergeschosses des Bootshauses vor. Die Gastronomie und Gesellschaftsräume sind jetzt sanft saniert. Dabei wurde großen Wert darauf gelegt, den Kern des denkmalgeschützten Bootshauses in seiner Struktur von 1930 vollständig zu erhalten und die Klarheit der Architektur im Stil der neuen Sachlichkeit zu betonen. Zugleich wurde durch die Beseitigung einiger Wände aus späteren Bauphasen eine große Offenheit und Geräumigkeit erzielt. Aus den lichten Gasträumen genießen Mitglieder und Gäste jetzt einen ungestörten Rundum-Ausblick auf den geliebten Rhein!